THEATERWELTEN – Erzählen und verzaubern

Ein Experiment. Und ein Auftakt zu Großem. Hoffentlich. Durch den Stolz auf das Zustandekommen dieses ersten „Theaterwelten“-Festivals, gemeinsam organisiert vom BDAT und dem Thüringer Theaterverband in Rudolstadt, klang bei den Festrednern deutlich auch etwas Bangen durch, ob das Geplante wie ersehnt zünden werde, ob alles so gut gelingen würde, dass eine regelmäßige Wiederholung den Förderern wie den Besuchern als dringendes Herzensanliegen erscheinen müsste.

Den passenden Einstieg geboten hatte am Beginn der Eröffnungsveranstaltung im „Schminkkasten“ eine kurze Performance einer Schülergruppe der Rudolstädter Schillerschule. Die Schülerinnen und Schüler hatten in liebevoller Vorarbeit typische Masken der verschiedenen Erdteile bunt und eindrucksvoll nachgestaltet und diese nun dem Publikum mit kurzen Erklärungen zur Herkunft vorgestellt: Darunter eine Maske „aus“ Bali, zwei der neuseeländischen Maori, Volto-Masken im venezianischen Stil, Teufelsmasken eines lateinamerikanischen Neujahrsfests, eine afrikanische „kifwebe“, eine Rabenmaske nordamerikanischer Haida-Indianer. Ein schönes Bild der Vielfalt und zugleich der Gemeinsamkeiten der Kulturen unseres Planeten.

So wurden die Erwartungen an die Auftaktvorstellung, angekündigt als musikalisches Erzähltheater aus Afrika, noch gesteigert.

Aber Erzähltheater in einer fremden Sprache – wie soll das denn gehen? Nun, es funktionierte, und zwar wunderbar. Fidèle Anato als Darsteller zauberte förmlich Bilder, Figuren und Landschaften in die Köpfe, mit seiner mimischen und stimmlichen Ausdruckskraft, seinen Bewegungen, Gesten, Rhythmen. Was für ein begnadeter Erzähler und Performer! Seine Augen bohrten sich mit einer unheimlichen Intensität in das Publikum – in jeden Einzelnen. Sein Lächeln riss mit, das Publikum klebte an seinen Lippen, egal, was er sagte, rief, flüsterte, sang. Wer nicht nur afrikanischer Sprachen, sondern – wie ich leider – auch des überwiegend verwendeten Französischen nicht mächtig war, musste sich ein wenig in die Situation eines Kleinkinds zurückversetzt fühlen, welches gesprochene Wörter eher nur als klangliche Untermalung ganzheitlicher Kommunikationsversuche erlebt, die es zu entschlüsseln gilt. Die kargen Texteinblendungen per Beamer lieferten kaum mehr als ein grob reduziertes Gerüst der nähergebrachten bildnis- und märchenhaften Geschichten.

So viel von der sprachlichen Ausdrucksform so auch verlorengehen musste, war ich nach kurzer Zeit eigentlich doch regelrecht dankbar dafür, schärfte es doch den Blick und die Aufmerksamkeit für all die anderen Signale, die Fidèle Anato in reichhaltiger und zugleich präziser Weise höchst eindrücklich präsentierte. Das war nicht eine Sekunde lang langweilig. Oh, könnte man doch selbst Zuhörer so fesseln! Die Phantasie arbeitete auf Hochtouren, alle Sinne waren auf volle Empfangsstärke aufgedreht. Schwierig wurde es an einigen Stellen, wo er eine Antwort des Publikums einforderte, eine Entscheidung für oder gegen eine Frage, deren genauer Inhalt sich nicht erschloss. Ich ahnte, dass wir wieder lernen müssen, uns auch in mehrdeutigen Situationen auf das Wagnis gegenseitiger Kommunikation einzulassen, uns auf Körpersprache und Ausdruck zu verlassen, Vertrauen in den gegenseitigen Willen zur Verständigung zu setzen, statt immer erst auf abgesicherte Kontexte oder vielmehr deren Fiktion zu warten.

Es waren drei ganz unterschiedliche Geschichten, mit denen Fidèle und am Klavier die Musikerin Espérance Gbaguidi die Anwesenden bereicherten. Am Beginn stand eine Fabel über ein Eifersuchtsgerangel zwischen den fünf Sinnen, die am Ende in der Musik eine Versöhnung fanden und womit irgendwie das Gleichnis des Nichtsprechens, Nichtsehens und Nichthörens begründet wurde. Es folgte eine zauberhafte Allegorie der Begegnung eines Mannes und einer Frau, ihres Beisammenseins, mehrfacher Trennungen und Wiederbegegnungen; und das alles wurde ohne Worte, nur durch Musik, Klänge und den „Tanz“ zweier Stühle dargestellt! Unglaublich, wie viel die Position zweier Sitzmöbel zueinander über uns Menschen verraten kann. Und mit welcher Eleganz dies zelebriert werden kann.

Den krönenden Abschluss bildete das beninische Märchen von „Maïa, dem schönsten Mädchen der Welt“, das aber mit einer körperlichen Fehlbildung auf dieselbe kommt, aus der Feder von Ismaïl S. Traoré. Der große Sämann verteilt seine Gaben. In eine idyllische Gemeinschaft „irgendwo im Nirgendwo“ ohne Leid, Streit, Krankheit oder Tod hagelt durch die Geburt dieses Mädchens eine Prüfung hinein. Wie steht es dann um Menschlichkeit, Toleranz und Liebe? Eine Geschichte von Scheitern und Verrat wie von Güte, Vergebung und Größe. O Maïa!

Nach langem und verdient begeistertem Applaus für Darsteller und Musikerin hielt der in Berlin lebende Regisseur der Produktion, Christél Gbaguidi aus Bénin, in Anwesenheit zweier Vertreter der Botschaft seines Landes eine glühende Stegreif-Rede, in der er seiner Dankbarkeit und Freude Ausdruck gab, dass dank dem BDAT die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Bénin und Deutschland neue konkrete Formen annehmen konnte und sich hoffentlich zu einem nachhaltigen fruchtbaren Austausch verstetigen werden, in dem das biennale Internationale Theaterfestival in Bénin (FHITEB) und vielleicht die „Theaterwelten“ eine wesentliche Rolle spielen könnten.

Man darf gespannt sein auf den Workshop „Raum – Körper – Flucht“, den Christél, als einen von den sieben in den kommenden Tagen aus aller Welt hier angebotenen, leiten wird.

K. G.

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