Die Feedback-Methode – ein Vortrag von Leila Anderson (Amsterdam)
Man kennt das Problem: Wie bekommt man als Theaterschaffender während der Arbeit hilfreiche Kritik, nützliches Feedback? Wie formuliert man umgekehrt als Mitglied eines „Testpublikums“ seine Bemerkungen, Vorschläge und Einwände zur gesehenen Produktion, ohne dass sie verletzen, verunsichern, verhärten? Wie objektiviert man seine Seheindrücke? Wie sorgt man dafür, dass alles Wesentliche zur Sprache kommt und nicht hauptsächlich Nebensächlichkeiten diskutiert werden? Und was ist überhaupt wesentlich, was nebensächlich?
Am Freitagabend gab es im Rahmen der „Theaterwelten“ die Gelegenheit, eine ausgefeilte Methode kennenzulernen, wie man strukturiert und methodisch Kritik einfordern und so anbringen kann, dass sie gern angenommen wird und produktive Wirkung entfaltet.
Die Referentin Leila Anderson von der DasArt School in Amsterdam hielt einen so frischen, gut strukturierten, engagierten und anschaulichen Vortrag, dass ihre zahlreichen Zuhörer trotz der späten Stunde, der im Rathaussaal unvermindert lastenden stickigen Schwüle und der vorausgegangenen Anstrengungen der Workshop-Arbeit mit ganzer Aufmerksamkeit folgten.
Ganz wichtig beim Feedback sind Vertrauen, Ehrlichkeit, Genauigkeit und Hilfsbereitschaft. Wenig nützlich sind Eitelkeiten und Selbstdarstellungsdrang seitens der Feedback-Gebenden.
Umrahmt mit Zitaten von Irit Rogoff beschrieb Anderson einen Weg von „Criticism“ (dem Finden von Fehlern, Bemängelung) über „Critique“ (einer auf Basis bestimmter Anahmen logisch konsistent erscheinenden Analyse) zur „Criticality“, worunter eine methodische und zugleich respektvolle und dem Voranbringen des Arbeitsstandes dienende Kritikform verstanden wird, die vom Bewusstsein ihrer unsicheren Fundamente ausgeht und auf Gleichheit zwischen Kritisierenden und Kritikempfängern beruht.
Die vorgestellte Methode ist leicht zu verstehen, erfordert aber einen neutralen Moderator und durchläuft eine Vielzahl von Phasen, beginnend mit einer klaren Formulierung des zu begutachtenden Arbeitsstandes und der Feedback-Ziele und -Erwartungen des Schaffenden über paarweisen Austausch von Beobachtungen, auch humorige Perspektivwechsel und offene Gesprächsrunden bis hin zu persönlichen schriftlichen „Briefen“. Von vornherein werden verschiedene Rollen klar unterschieden: Die des Theaterschaffenden, der seinen Zwischenstand präsentiert, die des Moderators und die der Feedback-Gruppe. Der Prozess in Gänze ist langwierig (und hier auch beim besten Willen nicht wiedergebbar) und geht davon aus, dass die Feedback-Gruppe heterogen und eher nicht fest zusammengesetzt ist. Ideal kann das deshalb gerade für Theaterfestivals sein.
Innerhalb einer kleinen „eingeschworenen“ Theatergruppe, in der sich gegenseitige Vertrautheit und Vertrauen längst eingestellt haben, wäre die Anwendung der Methode, gar noch in einer gemeinsamen Produktion, unnötiger Overhead. Hier sind kurze, klare Worte meist der etablierte und akzeptierte Weg. Dennoch stellten sich viele Elemente und Regeln der verschiedenen Phasen der Methode als jederzeit hilfreich und nützlich dar.
So banal es klingt: Man sollte stets erst überlegen und abwägen, bevor man spricht. Auch zunächst auf Formulierungen, dass etwas gefallen oder nicht gefallen habe, zu verzichten und eher darauf abzustellen, was nach eigenem Empfinden gut oder weniger gut „funktioniert“, d. h. die Ziele des Ausführenden zu respektieren, ist eine gute Empfehlung. Also weniger geschmäcklerisch zu beurteilen, sondern mehr die Umsetzung im Auge zu haben. Die Kritisierten hingegen tun gut daran, zunächst eher nur zuzuhören und zu reflektieren, statt sich aus dem ersten Impuls heraus zu rechtfertigen.
Hatten manche Festivalteilnehmer vorher noch gerätselt, was die Veranstaltung „Feedback im Theater – wie übe ich künstlerische Kritik?“ ihnen bringen sollte, waren hinterher dann viele so fasziniert, dass sie sich das Material schicken lassen und noch nach dem Ende der Diskussion das Gespräch mit der Referentin suchten, persönliche Erfahrungen und Fragen ansprachen.
K. G.